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7 Agenten in Elektronischen Märkten


In diesem abschließenden Kapitel wird der Einsatz von Technologien Intelligenter Agenten in Elektronischen Märkten erörtert.

7.1 Warum Agenten in Elektronischen Märkten

Aus den bisherigen Kapiteln dieser Arbeit, die sich einerseits mit Intelligenten Agenten, andererseits mit Elektronischen Märkten befaßten, wird deutlich, welchen Vorteil der Einsatz von Agenten als Mittler in Elektronischen Märkten bringen kann. Die Transaktionskosten - als das Kriterium für die Effizienz von Transaktionen - werden durch den Einsatz von Agenten verringert.

Für die folgenden Betrachtungen wird der Mittlerbegriff, wie er in Abschnitt 6.3 vorgestellt wurde, etwas erweitert. Es wurde bereits herausgearbeitet, daß auch in Elektronischen Märkten die klassischen Mittlerfunktionen angeboten werden müssen. Das Konzept eines Intelligenten Agenten, der im Namen seines Besitzers Aufgaben - wie beispielsweise die Durchführung von Markttransaktionen - ausführt, paßt auf den ersten Blick nicht vollständig in das Bild dieser klassischen Mittlerfunktionen[47] 4.2 . Auf den zweiten Blick jedoch wird ersichtlich, daß ein solcher Agent eigentlich einen umfassenden vollkommenen Mittler darstellt, indem er seinen Besitzer völlig aus der Transaktion fernhält und alle Aufgaben für ihn ausübt.

Auch wenn es an Untersuchungen zur im ersten Absatz dieses Abschnitts gemachten These fehlt, so wird sie doch von den heute verfügbaren Beispielanwendungen auf diesem Gebiet unterstützt: Seien es Suchmaschinen, Verzeichnisse, oder virtuelle Kaufhäuser im WWW, welche die Informationsphase einer Transaktion erheblich verkürzen oder Angebote wie Jango, das nicht nur die Informationsphase, sondern durch das Ausfüllen von Bestellformularen auch die Verhandlungsphase verkürzt, die Transaktionskosten werden in jedem Falle gesenkt.

Die Entwicklung auf dem Gebiet der Agenten als Mittler in Elektronischen Märkten steckt - wie die gesamte Technologie Elektronischer Märkte auch - noch stark in ihren Kinderschuhen, daher ist es auch schwer gefallen, Beispiele für Agenten zu finden, die über die reine Information hinausgehen.

Je einfacher und zutreffender das Benutzermodell eines Agent aufgebaut werden kann, je besser er verhandeln kann und je weiter die Integration von Logistik-Dienstleistungen der Abwicklungsphase vorangetrieben wird, je stärker sinken die Transaktionskosten.

7.2 Übersicht existierender Agenten als Mittler

In Tabelle 4 wird der Versuch unternommen, die in dieser Arbeit vorgestellten "Agenten" nach Art des Elektronischen Marktes und Einsatz in Transaktionsphasen zu klassifizieren. Als Motto könnte man der Tabelle "Viele Agenten, wenig Intelligenz" zusprechen, denn nur wenige der untersuchten Beispiele erfüllen auch nur minimale Anforderungen an "Intelligente Agenten". Ein Eintrag in einer Spalte beinhaltet auch immer die Spalten weiter links, so daß Infomarket beispielsweise alle drei Transaktionsphasen unterstützt.

Suchmaschinen im WWW sind als ein Mittler nur der Informationsphase zuzuordnen. Auch solche Filter wie Firefly gehen nicht über diese Funktionalität hinaus. Jango ist am ehesten einer Vereinbarung nahe, jedoch wird die Vereinbarung nur durch Ausfüllen entsprechender Formulare vorbereitet.

Ein Werkzeug, welches die Vereinbarungsphase im WWW unterstützt, ist nicht bekannt.


Information

Vereinbarung
Abwicklung

WWW

Suchmaschinen

Firefly

Jango


Infomarket

Infowizard

Pointcast

my-yahoo

EM im WWW

Electronic Malls

Auktionen


Andere EM

Onlinedienste
Kasbah

OSM

Onlinedienste

Börse

Tourismus

Tabelle 4 - Übersicht über Agenten als Mittler

Komplette Abwicklungen in Elektronischen Märkten sind naturgemäß heutzutage nur für Elektronische Leistungen möglich. Hier gibt es eine ganz Reihe von Werkzeugen, von denen Infowizard wegen seiner Option, ein Suchprofil zu speichern und wiederholt auszuführen, und Pointcast wegen des Einsatzes der Push-Technolgoie am ehesten als "Intelligente Agenten" zu klassizifieren sind. Die Vereinbarungspase ist jedoch eher einfach strukturiert; es gibt keine Verhandlung, sondern nur das Akzeptieren eines vorgegebenen Preises.

Im Bereich der Malls fehlen bislang noch ausgereifte Anwendungsbeispiele von Intelligenten Agenten und auch ihrer Mittlerfunktion sind sich nur wenige bewußt.

Eine Verbindung zwischen den Online-Auktionen und Konzepten, wie sie in Kasbah realisiert sind, könnte in der Abwicklungsphase von Transaktionen im Umfeld des WWW erfolgreich sein. Bislang sind die Auktionen im WWW ebenfalls nicht sehr "intelligent".

Onlinedienste wie T-Online unterstützen die Informations- und Abwicklungsphase, jedoch gibt es außer dem Akzeptieren eines vorgegebenen Preises keine Möglichkeit für Verhandlungen. Die in Abschnitt 6.4.6 vorgestellten Konzepte und Prototypen, von denen Kasbah und das OSM-Modell exemplarisch aufgeführt sind, sind heute weitestgehend noch "Zukunftsmusik", zeigen aber, wohin die Entwicklung gehen könnte.

Elektronischer Börsenhandel und die Tourismusbranche schließlich sind zwei Beispiele für sehr weitgehende Elektronische Märkte, wenn auch nicht im Endkundenmarkt und mit Beschränkungen in der Vereinbarungsphase.

7.3 Offene Fragen und ungelöste Probleme

Die Entwicklung von sowohl Intelligenten Agenten als auch Elektronischen Märkten steckt noch in ihren Kinderschuhen. Es müssen noch Lösungen für viele ungelöste Probleme erarbeitet werden, bevor viele der in dieser Arbeit anklingenden Ideen nicht mehr reine Zukunftsmusik bleiben, sondern ihre Realisierung in greifbare Nähe rückt. Diese Aufzählung basiert auf [Guttman 1997b][48]

7.3.1 Ökonomische Fragen

Zu den ökonomisch relevanten Fragen, die sich aus einem Einsatz Intelligenter Agenten in Elektronischen Märkten ergeben, gehören:

- Senken Intelligente Agenten wirklich die Transaktionskosten?

- Wird es aufgrund der geringeren Kosten zu mehr Transaktionen kommen?

- Werden die Märkte, die auf Intelligenten Agenten beruhen, effizienter arbeiten, als die bisherigen Elektronischen und konventionellen Märkte

- Werden sich die Preis für Leistungen verändern und dynamischer werden? Werden die Preise sich angleichen und einem gemeinsamen Minimum zustreben?

- Wie gehen herkömmliche Mittler in konventionellen Märkten mit der veränderten Situation um? Werden Sie sich anpassen oder wird ihre Funktion von neuen Mittlern übernommen?

Viele dieser Fragen werden sich erst untersuchen lassen, wenn es auf Agenten basierende Elektronische Märkte im größeren Stil als heute gibt. Jedoch sollten sich alle an herkömmlichen Märkten beteiligten Entscheidungsträger bewußt sein, daß die Entwicklung der Märkte diese Richtung eingeschlagen hat und von einem einzelnen nicht aufgehalten werden kann. Daher sollte man möglichst früh damit beginnen, sich auf die veränderte Situation einzustellen, um nicht von der Entwicklung überrollt zu werden.

7.3.2 Soziale Fragen

Die folgenden Fragestellungen betreffen den Umgang der Benutzer mit Intelligenten Agenten und untereinander.

- Werden wir zum reinen Tauschhandel zurückkehren?

- Werden sich unsere Einkaufs- und Kaufgewohnheiten ändern, um den größten möglichen Nutzen aus auf Agenten basierenden Elektronischen Märkten zu ziehen?

- Wie viel Autorität und Verantwortung sind wir bereit (oder müssen wir bereit sein), Intelligenten Agenten zu übertragen?

Für die Entwicklung und die Akzeptanz Intelligenter Agenten ist sicherlich die letzte Frage von hoher Relevanz[49] 4.4.2.3 .

"In order for these agents to be widely accepted, it is crucial that the agent's behaviour can easily be understood and controlled by the user"

[Chavez et al. 1997, S. 178]

Es ist schwierig vorherzusagen, ob es gelingen wird, dieser Forderung Genüge zu tun.

7.3.3 Technische Fragen

Die technischen Fragestellungen und ungelösten Probleme sind heute noch das größte Hindernis für die Verbreitung von Agenten.

- Werden Anbieter im WWW ihre Marktplätze oder Angebote für Agenten öffnen? Auf Basis welcher Standards?

- Muß ein höherer Grad an Sicherheit und Verfügbarkeit der Informations- und Kommunikationsinfrastruktur erreicht werden? Wenn ja, auf welchem Weg?

- Müssen erst alle Sicherheits- und Vertrauensfragen geklärt sein, bevor man daran geht, Agenten anzubieten und einzusetzen?

Fehlende Standards und kein einheitliches Konzept für den Einsatz von Agenten in Elektronischen Märkten sind auf Seite der Technik die Haupthinderungsgründe für deren Einsatz.

7.3.4 Rechtliche Fragen

Unter vielen rechtlichen Fragen, sind folgende die wichtigsten, die vor einem Einsatz dieser Technologie geklärt werden müßten:

- Sind Vertragsabschlüsse zwischen Agenten bindend?

- Wer trägt die Verantwortung für fehlerhaft arbeitenden Agenten und Systeme?

- Wie soll mit absichtlich manipulierten Agenten umgegangen werden?

Jedoch hat die Entwicklung des WWW als Plattform für Elektronischen Handel gezeigt, daß Marktteilnehmer auch durchaus bereit sind. Transaktionen auf unklarer rechtlicher Basis und mangelhaftem Sicherheitsniveau durchzuführen.

7.4 Eine Vision

Anstelle einer Zusammenfassung soll diese Arbeit mit einem visionären Ausblick auf die Zukunft Intelligenter Agenten im Umfeld Elektronischer Märkte enden. Die Vision stammt von [Personal Agents 1996][50]. Wir besuchen Jane Smith, die Abends nach ihrer Arbeit nachhause kommt.

Jane geht in die Küche, um das Abendessen zuzubereiten und schaltet ihr Internet-Terminal ein. Ihr persönlicher Agent meldet sich. Er hätte sie auch auf viele andere Wege kontaktieren können: per Funktelefon oder über das Terminal an ihrem Arbeitsplatz.

Ihr Agent präsentiert Ihr eine Auswahl von drei Programmen aus den über Hundert Fernseh-Kanälen, die er nach Janes Interessen, Vorlieben und Hobbies ausgewählt hat. Da einige der Programme parallel laufen, erlaubt es der Agent, per Mausklick eines der Programme mittels Videorecorder aufzeichnen zu lassen.

Danach schlägt ihr der Agent verschiedene Speisen für das Abendessen vor. Diese Auswahl beruht auf den Vorräten im Haus und beinhaltet neben den genauen Rezepten auch die Nährstoff- und Kalorientabellen der einzelnen Mahlzeiten.

Da Jane heute Abend keine Lust hat, zu kochen, bestellt sie das Abendessen einfach bei einem Lieferservice. Der Agent übermittelt ohne ihr Zutun Mengenangaben und Sonderwünsche und führt auch die Bezahlung automatisch durch.

Der Agent hat weiterhin eingehende eMails, Faxe und Telefonanrufe sortiert und präsentiert Jane eine nach Relevanz sortierte Übersicht. Eine Terminänderung für ihren Zahnarzt am übernächsten Tag hat der Agent automatisch mit Ihrem Terminplan abgeglichen und vereinbart.

Da Jane nun nicht selbst kocht, hat sie Zeit, noch Turnschuhe einzukaufen. Ihr Agent bietet ihr einen Einstieg nach Schuhgeschäft, Marke oder Empfehlungen. Sie schaut sich die aktuellen Empfehlungen an und entscheidet sich schließlich für ein bestimmtes Paar Schuhe. Ihr Agent übermittelt wieder alle benötigten Informationen an den Schuhhändler.

Ob diese Vision in absehbarer Zeit real werden wird, ist mehr als zweifelhaft. Die bestehende Technologie ist (für viele sicherlich glücklicherweise) noch bei weitem nicht weit genug entwickelt. Jedoch zeigt die Vision klar auf, wohin die Forschung auf dem Gebiet Intelligenter Agenten sich bewegt: Intelligente Häuser, die selbständig Vorräte kontrollieren und bestellen können, Informationsfilter für Nachrichten und Unterhaltungsprogramme, Homeshopping sind nur einige wenige Schlagworte aus diesem Bereich.

Um auf [Kurzweil 1993] Bild einer zweiten industriellen Revolution aus Abschnitt 5.1.1 zurückzugreifen: Vielleicht sind wir tatsächlich schon bald nicht mehr in der Lage, unser komplettes Umfeld ohne Unterstützung durch moderne Technologien kognitiv zu verarbeiten. Ob es dazu kommen wird, darf jedoch nicht alleine eine Frage des technisch Machbaren sein, sondern sollte auch von ethischen und moralischen Überlegungen begleitet werden.

Vielleicht hätte sich die Welt anders entwickelt, wenn es zu Zeiten der ersten industriellen Revolution schon Menschen gegeben hätte, die auf ihre Gefahren, wie beispielsweise die Umweltverschmutzung und die Ausbeutung von Ressourcen, hingewiesen hätten. Aufgehalten hätten Kritiker die industrielle Revolution zwar nicht, aber vielleicht hätten sie es geschafft, die Entwicklung in verträglichere Bahnen zu lenken.

[47]: Wie in Abschnitt angekündigt, kommen wir nun hier auf die Lexikon-Definition von "Agent" zurück: Die Sichtweise, um die hier der Mittlerbegriff erweitert wird, entspricht nämlich genau dieser Definition eines Agenten als Handels- oder Versicherungsvertreter.

[48]: <http://guttman.www.media.mit.edu/people/guttman/research/commerce/talk6/slide41.html>

[49]: siehe auch Abschnitt

[50]: Kurz vor Druck dieser Arbeit war der Ausblick nicht mehr unter der angegebenen URL zu finden. Jedoch ist davon auszugehen, daß das Unternehmen bald ein Produkt unter der URL veröffentlicht.


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